Wenn Tiere gehen – und wir mit unserer Entscheidung leben müssen

Eine Frau sitzt auf einer Bank, schaut nach rechts und lächelt. Sie trägt Jeans und eine rosa Strickjacke. Neben ihr sitzt ein kleiner, schwarz-brauner zotteliger Hund und darunter, auf dem Boden, sitzt ein großer, weißer Hund. Beide Hunde schauen ebenfalls nach rechts.
Autorin Verena Felten mit ihren Hunden Snow und Raffles

Es ist eine Entscheidung, die niemand wirklich treffen will. Und doch stehen wir irgendwann davor:
Soll ich mein Tier gehen lassen?
Ist es jetzt an der Zeit?
Und was, wenn ich mich irre?

Viele Tierhalterinnen erleben diesen Moment als zutiefst überfordernd, nicht nur, weil sie ihr Tier lieben – sondern weil sie spüren, dass diese Entscheidung eigentlich viel größer ist als das, was sich in einem kurzen Gespräch mit dem Tierarzt fassen lässt. Manchmal wissen wir im Kopf, was „vernünftig“ wäre. Und trotzdem schreit alles in uns: Ich weiß nicht, ob das richtig ist.

Ich habe diese Entscheidung selbst getroffen. Mehr als einmal. Und jede dieser Erfahrungen hat mich verändert. Manche haben mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Andere haben mir gezeigt, wie viel Frieden möglich ist, wenn wir wirklich zuhören – nicht nur mit dem Verstand, sondern mit dem Herzen.

Simba – als mich die Entscheidung überrollte

Simba war meine erste Hündin. Meine Begleiterin. Und mein Gott, wie habe ich sie geliebt. Mit ihr bin ich erwachsen geworden. Sie ist vor 20 Jahren von mir gegangen, und ich weiß noch genau, wie sich dieser Tag anfühlte. Wir waren in der Tierklinik. Es ging ihr nicht gut, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass wir am Ende waren. Ich dachte, es gäbe noch Möglichkeiten. Hoffnung.

Doch plötzlich hieß es, es sei besser, sie gehen zu lassen.
Es ging alles so schnell.
Ich hatte keinen Moment, um nachzuspüren. Kein Raum, um wirklich zu fühlen, was sie wollte.
Ich war überfordert, völlig allein, hilflos – und stand unter dem Druck, jetzt eine richtige Entscheidung treffen zu müssen.

Ich stimmte zu.
Nicht, weil ich davon überzeugt war.
Sondern, weil ich es nicht besser wusste.
Und dann war sie weg.

Keine Zeit für wirklichen Abschied. In einem kühlen Klinikraum, der nüchterner hätte nicht sein können. Nur Leere. Ich war wie betäubt. Und dann dieses Gefühl, als hätte man mir das Herz aufgeschnitten und ein Stück davon mitgenommen.

Was blieb, war nicht nur Trauer.
Es war ein Loch, das lange nicht heilen wollte.
Und ein innerer Zweifel, der immer wieder flüsterte: Irgendetwas daran war nicht richtig.

Jetzt in diesem Augenblick ist es wieder so real spürbar in meinem Körper, alles das, was ich damals gefühlt habe.

Als meine Katze Bagheera sich langsam zurückzog, wusste ich, dass sie im Sterbeprozess war. Ich spürte, dass sie sich löste, Stück für Stück. Ihre Augen wurden weicher, ihr Körper stiller. Und auch wenn es schwer war, blieb ich bei ihr. Ich wollte sie begleiten, so gut ich konnte.

Aber je näher dieser Moment kam, desto stärker wurde etwas in mir, das ich nicht erwartet hatte.
Es war nicht der Verstand, der mir sagte, ich müsse etwas tun. Es war mein Herz, das den Schmerz nicht aushalten konnte.
Ich begann, an mir zu zweifeln. Ich fragte mich, ob ich versage, wenn ich einfach nur da bin.
Ob es nicht doch meine Aufgabe sei, diesen Weg abzukürzen – damit sie nicht leiden muss. Damit ich nicht leiden muss.

Ich bekam plötzlich ein schlechtes Gewissen.
Und dann habe ich diesen einen Schritt getan, den ich heute nicht mehr tun würde:
Ich habe eingegriffen.

Und sie war gegangen, ohne wirklich verstanden zu haben, warum.

In diesem Moment wusste ich es:
Das war nicht ihre Entscheidung gewesen. Es war meine.
Sie war nicht bereit und ich hatte ihren Prozess unterbrochen.

Dieses Erlebnis hat mich tief erschüttert.
Nicht, weil ich versagt hätte – sondern weil ich gespürt habe, dass ich es nicht ausgehalten habe.
Dass ich weggelaufen bin – nicht vor ihr, sondern vor meiner eigenen Ohnmacht.

Ich werde diesen Blick niemals vergessen!

Es war, als würde sie mich fragen, warum?

Und das hat etwas in mir verändert.
Ich hatte gespürt, was sie brauchte, und war trotzdem nicht bei ihr geblieben.

Mit Kiara war es ein stiller Abschied voller Liebe.
Ganz anders als ich es bisher erlebt hatte. Ich habe sie gefragt, wie sie sich das wünscht und ich wollte ihr das möglich machen, mittlerweile konnte ich das auch, weil ich meine Ansichten auf den Tod und das Leben völlig neu betrachten konnte. Die meisten Menschen denken, mit dem Tod endet das Leben, ich war einer von diesen Menschen. Doch ist es wirklich so?

Kiara war eine sehr starke Persönlichkeit und sie hatte eine klare Vorstellung von ihrem Sterbeprozess. Ihr Wunsch war es, zu Hause zu sein, gehalten und begleitet im Rahmen der Familie.

Und es war auch für meine beiden Hunde, Snow und Raffles, unglaublich wichtig, dass sie dabei sein durften. Sie haben sie die ganze Zeit über begleitet. Keiner ist von ihrer Seite gewichen. Sie waren still an unserer Seite. Sie haben uns unterstützt, mich in meiner Trauer und meine Kiara auf ihrem Weg.

Es war wunderschön. Schmerzhaft, ja – aber wunderschön.

Zu sehen, wie liebevoll dieser Abschied war. Es flossen viele Tränen und mein Snow hat auch geweint. Es war auch für ihn ein schwerer Abschied nach 7 Jahren.

Aber genau dieser Weg hat uns geholfen, nicht in der Trauer zu verweilen, es war ok. Es war einfach gut. Es lässt sich schwer in Worte fassen, wie es sich anfühlt, wenn man in einer Nacht alle Phasen der Trauer vollziehen und sich verabschieden kann, mit so viel Liebe und Demut.

Als sie ging, war es friedlich.
Ein Abschied, der getragen war von Vertrauen und tiefer Verbindung.

Was ich heute mit Gewissheit sagen kann

Ich würde heute nie wieder einfach so eine Entscheidung über Leben und Tod treffen.
Nicht, weil ich Angst davor habe – sondern weil ich gelernt habe, wie wichtig es ist, das Tier selbst zu fragen.
Weil ich weiß, dass eine Seele genau spürt, wann sie bereit ist zu gehen.
Und wie sie es tun möchte.

Diese Entscheidung kann und darf nicht auf der Verstandesebene getroffen werden.
Nicht, weil das Tier alt ist.
Nicht, weil jemand sagt, das Leben sei „nicht mehr lebenswert“.
Das sind menschliche Bewertungen – und sie reichen nicht bis zur Seele.

Die Seele hat ihren eigenen Rhythmus.
Ihre eigenen Gründe.
Und sie hat das Recht, den Körper auf ihre Weise zu verlassen.
So, wie sie ihn einst betreten hat.

Ich schreibe diesen Text nicht, um Schuldgefühle auszulösen.
Ich schreibe ihn, weil ich mir wünsche, dass wir als Menschen achtsamer werden mit dieser Verantwortung.
Dass wir aufhören, vorschnell zu urteilen, ob ein Leben „noch lebenswert“ ist.
Denn aus seelischer Sicht gibt es kein lebenswert oder nicht lebenswert.
Es gibt nur Erfahrungen, die gemacht werden wollen – bis sie rund sind.

Der Tod ist kein Fehler. Er ist ein Übergang.
Und vielleicht liegt unsere größte Aufgabe darin, diesen Übergang nicht zu kontrollieren, sondern begleiten zu lernen – mit Würde, mit Mitgefühl, mit offenem Herzen.

Wenn du gerade mit einem Abschied konfrontiert bist – oder eine Entscheidung getroffen hast, die dich nicht in Ruhe lässt – dann möchte ich dir sagen: Du bist nicht allein.

Es ist nicht leicht, dazubleiben. Nicht zu handeln, nicht sofort etwas tun zu wollen.
Aber manchmal liegt gerade darin die größte Form von Liebe:
Im Dasein.
Im Mitfühlen.
Im Begleiten.

Und wenn du dich fragst, ob du es „richtig“ gemacht hast – dann vertraue darauf, dass dein Tier dich kennt.
Dass es deine Liebe gespürt hat.
Und dass eure Verbindung über den Tod hinaus bestehen bleibt.

Ich weiß, wie schwer es ist, ein Tier gehen zu lassen.
Und ich weiß, wie sehr es uns verändern kann, wenn wir wirklich da sind in diesem Moment.
Es wird nicht weniger weh tun.
Aber es wird einen Unterschied machen – für dich.
Und für die Seele, die du begleitest.

Der Tod ist nicht das Ende. Er ist ein Übergang. Die Seele geht weiter. Die Liebe bleibt.

Autorin: Verena Felten, Brückenbauerin und Vermittlerin zwischen tierischen und menschlichen Seelen

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