Die Tierliebe der Menschen ist gleichermaßen ausgeprägt wie widersprüchlich. Haustiere werden umsorgt und verwöhnt – oftmals in einem Ausmaß, das kaum noch ihren natürlichen Bedürfnissen entsprechen dürfte – gleichzeitig haben die sogenannten Nutztiere überhaupt nichts zu lachen. Ihre Funktion wird ausschließlich in ihrer materiellen Verwertbarkeit in der Nahrungsproduktion gesehen. Das gilt insbesondere für Schweine, die die Deutschen »zum Fressen gern« haben.

Gezähmt wurden Wildschweine etwa 8.500 v. Christus im Orient. Den ersten Nachweis, dass sie in unseren Landen gegessen wurden, gibt es aus der Zeit um 5000 v. Christus. Früher wurden die Tiere von Schweinehirten im Freien gehütet. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts ging man zur Stallhaltung mit Weidegang über1. Heute lebt lediglich ein Prozent der Schweine in Freilandhaltung, mehr als 75 Prozent der Tiere werden in Betrieben mit mehr als 1000 Schweinen gehalten2. Exakt 0,75 Quadratmeter beträgt der gesetzlich festgelegte Mindestraum, der einem Schwein in der konventionellen Produktion zusteht. Aber auch die Haltungsstufen, die mehr Tierwohl signalisieren, erweitern den Raum nur marginal. Das gilt selbst für die Mindestanforderungen in der Biohaltung. Trotz der von Tierschutzorganisationen erbrachten eindeutigen Nachweise über die katastrophalen Bedingungen in der Massentierhaltung, hat sich die Situation in den Ställen kaum verbessert. Auch etliche Verbraucherinnen und Verbraucher – sensibilisiert durch die bekannt gewordenen Fleischskandale – wünschen sich bessere Lebensbedingungen in der Fleischproduktion. Doch im Gegensatz dazu hat in den letzten Jahren die Verdichtung, also die durchschnittliche Anzahl der Schweine pro Betrieb, zugenommen.
Deutschland ist nach Spanien der zweitgrößte Schweinefleischproduzent in Europa. 2023 hielten hier 16.170 Betriebe etwa 21,2 Millionen Schweine, während es 1950 noch knapp 2,4 Millionen Schweinehalterinnen und -halter gab, die rund 12 Millionen Schweine hielten3. Diese Entwicklung zeigt in aller Deutlichkeit, dass nicht die natürlichen Bedürfnisse des Tieres die Haltungsbedingungen bestimmen, sondern alleine die Wirtschaftlichkeit. Im Schweinestall herrscht Fließbandatmosphäre.
Auch wenn der Anteil von Menschen, die vegetarisch oder vegan leben auf ca. 12 Prozent gewachsen ist und der Fleischkonsum insgesamt abgenommen hat, ist der Konsum von Schweinefleisch immer noch hoch und liegt weiter deutlich über dem von Geflügel und Rind. Mehr als 44 Millionen Schweine werden in Deutschland pro Jahr geschlachtet.
Letztlich bestimmt das Konsumverhalten der Kundschaft, welche Lebensbedingungen einem Nutztier zugestanden werden. Wer im Supermarkt das Kilo Schweinefleisch für zehn Euro kauft, macht sich vermutlich wenig Gedanken darüber, wie das Tier, aus dem das Fleisch herausgeschnitten wurde, vor seinem Tod gelebt hat.
Dass das Wohl eines Tieres und seine Vermarktung nicht im Widerspruch stehen müssen, zeigen Zuchtformen, die dem Tier ein Eigenleben zugestehen und seine natürlichen Bedürfnisse berücksichtigen. Dazu gehört zuallererst genügend Fläche, damit Schweine ihren ausgeprägten Bewegungsdrang ausleben und starke Muskeln aufbauen können. Auch gutes Futter, das ihrem Körper eine adäquate Grundlage für eine gesunde Entwicklung schafft, ist wichtig. Schweine sind zwar Allesfresser aber dennoch keine Müllschlucker. Und, als äußerst soziale Wesen, brauchen sie Kontakt zu ihren Mitschweinen. Kommt dann noch eine Umgebung hinzu, in der sie ihre Neugier befriedigen können und die ihnen eine gewisse Unabhängigkeit zugesteht, fühlen sie sich sauwohl.
Schweine sind Lebewesen, wenn man sie leben lässt. Und wie ein solches Schweineleben aussehen kann, darf ich ein Jahr lang auf der Schweinefarm der »Schweinothek« im hessischen Gau-Bickelheim kennenlernen. Im Abstand von jeweils etwa vier Wochen besuche ich »mein« Schwein und begleite seinen Werdegang von Geburt bis Schlachtreife.
Wer sich wie ich für diese liebens- und lebenswerten Tiere interessiert, kann sich schon jetzt auf mein Buch freuen, das voraussichtlich im nächsten Frühjahr im Zeitfenster Verlag erscheinen wird.
Dr. Ulrike Thomas
Mannheim
1Quelle: So leben Schweine, Broschüre der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, 2. Auflage 2021
2Quelle: Entdecke die Landwirtschaft, Broschüre des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, 2023
3Quelle: Bundesinformationszentrum Landwirtschaft 2025, www.landwirtschaft.de